"Schaffen wir das?" Im Zusammenhang mit der Flüchtlingskrise wird diese Frage häufig gestellt.  Zumindest mit Blick auf die öffentlichen Kassen lautet die Antwort: ja.

2016 werden die Flüchtlinge den Steuerzahler rund 20 Milliarden Euro kosten. Forscher des Instituts für Weltwirtschaft (IfW) haben das errechnet. Das ist eine Menge Geld. Doch Bund, Länder und Kommunen haben auch viele Einnahmen: 18,5 Milliarden Euro Überschuss verzeichnete die Staatskasse allein bis Ende Juni – ein Rekord. In dieser Zeit kosteten die Flüchtlinge 9,2 Milliarden Euro.

"Die Folgen der Flüchtlingsmigration kosten, aber ihre Summe ist mit einem Anteil von rund 1,4 Prozent am gesamten Staatshaushalt beherrschbar", sagt Jens Boysen-Hogrefe, der die Zahlen für das IfW mitberechnet hat. "Die Debatte um die Flüchtlinge wird jetzt heftig geführt, aber ein wirtschaftlicher Abschwung würde sich viel schwerwiegender auf die Haushalte auswirken."

Auch Finanzminister Schäuble scheint die Auswirkungen der Flüchtlingskrise entspannter zu sehen als noch vor ein paar Monaten: Zog er zu Beginn des Jahres noch eine EU-weite Benzinsteuer in Betracht, um die Flüchtlingskrise zu bezahlen, plant er jetzt – der Wahlkampf lässt grüßen – Steuererleichterungen für die Bürger. Schäuble sieht einen Spielraum von 15 Milliarden Euro, um kleine und mittlere Einkommen zu entlasten.

Und das Sparmantra wird dafür nicht angetastet: Die schwarze Null steht – nicht nur auf Bundesebene. Acht Bundesländer kommen 2016 ohne neue Schulden aus. Grund ist die starke Konjunktur. Und Länder, die weiter Schulden machen, können dass dank niedriger Zinsen sehr günstig tun. Außerdem sind die geburtenstarken Jahrgänge der Babyboomer mit Anfang 50 jetzt in einem Alter, in dem sie viele Steuern zahlen, was dem Staat wiederum Einnahmen beschert.

Überschüsse fallen höher aus als erwartet

Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, bezeichnete die Befürchtung, die Staatskassen könnten sich leeren, bereits vor einem Jahr als "billigen Populismus". Seine Aussage bekräftigt er auch jetzt: "Die Überschüsse sind sogar deutlich höher als erwartet." Die Unternehmen machten mehr Gewinne, der Arbeitsmarkt entwickele sich besser als erwartet. Gleichzeitig kämen in diesem Jahr bislang weniger Migranten nach Deutschland als prognostiziert.

Und doch lohnt es, die Finanzsituation der Städte und Gemeinden näher zu betrachten: Die Flüchtlingskrise und das Jahr 2015 war vor allem eine Herausforderung für Personal und Verwaltung. "Wir können stolz darauf sein, 1,3 Millionen Menschen untergebracht und versorgt zu haben", sagt Uwe Zimmermann vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. "Der größte Teil der Kosten kommt aber noch auf uns zu." Man dürfe auch nicht vergessen, dass viele Ausgaben für Infrastruktur in den vergangenen Jahren auf der Strecke geblieben sind: Schulen warten auf Sanierungen, Straßen und Brücken müssen repariert werden. Laut Zimmermann hat der Staat einen Investitionsrückstand von über 130 Milliarden Euro.

Die Länder sind vorsichtiger als der Bund

Die Versorgung der Flüchtlinge ist grundsätzlich Ländersache. Eine Umfrage unter den Ländern zeigt: 2016 rechnen sie mit Ausgaben von etwa 19,8 Milliarden Euro – sie kalkulieren also vorsichtiger als das IfW. Hinzu kommen noch die Ausgaben der Kommunen, die die Länder nicht übernehmen, und zusätzlich geplante Ausgaben des Bundes, die sich auf 11,3 Milliarden beziffern.

Die Infografik zeigt, dass die Länder 2016 deutlich mehr Geld in ihren Haushalten für Flüchtlinge und Asylbewerber einplanen.

Die Länder zahlen deutlich mehr – ihre Haushaltsziele versuchen sie dennoch zu halten: "Die Mehrausgaben sind sicher eine große Herausforderung, trotzdem können wir die Schuldenbremse einhalten", sagt zum Beispiel Ingrid Herden vom Finanzministerium Nordrhein-Westfalen. "Der Konsolidierungspfad wird aber eine kleine Welle haben." In Bedrängnis gerät nur die Stadt Bremen. Um sich nicht mehr Schulden zu machen als erlaubt, will das Land die Kosten für die Flüchtlinge aus dem Haushalt 2016 rausrechnen – ob es das darf, entscheidet ein Expertenrat erst im Frühjahr 2017.

Wie die Kosten wirklich verteilt werden, darum haben Bund, Länder und Kommunen lange gerungen. Im Juli gab es dann die Einigung beim Treffen der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin: Weitere zwei Milliarden Euro jährlich stellt der Bund den Ländern zur freien Verfügung, die Kosten der Unterbringung der Flüchtlinge in den Kommunen übernimmt er komplett. Mit anderen Hilfen entlastet der Bund Länder und Kommunen im Jahr 2016 somit um rund 6,9 Milliarden Euro, im Jahr 2017 werden es rund 5,7 Milliarden sein – auch wenn die Länder ursprünglich mehr gefordert hatten.